Der Gelehrte aus Berka

NRZ/WAZ 18.01.2013

Rheinberger Amplonius-Gymnasium will die Stiftung seines Namensgebers wieder aufleben lassen

Er war einer, der nicht locker ließ. Wenn’s darum ging, seine Ideen und Interessen durchzusetzen, blieb er am Ball und kämpfte. Kein Wunder, dass der Erfurter Rat nach einer Auseinandersetzung mit Amplonius Rating de Berka einmal niederschrieb: „Unde were er eyn ander Mann…“ Und wäre er ein anderer Mann gewesen, hätten sie ihm wahrscheinlich den Stuhl vor die Tür gesetzt. Aber der unbequeme Amplonius war eben nicht irgendwer.

Sondern ein schon zu Lebzeiten berühmter und geschätzter Wissenschaftler und einer, der ein Herz für diejenigen hatte, denen es nicht so gut ging.

Förderung begabter Schüler

Er legte zu Beginn des 15. Jahrhunderts den Grundstein für eine Stiftung, mit der vor allem jungen Männern aus seiner Geburtsstadt Rheinberg ein Studium in Erfurt ermöglicht wurde. Eine große sozialpolitische Leistung für die damalige Zeit. Und eine Idee, die der Rektor des Rheinberger Amplonius-Gymnasiums, Heinz Pannenbecker, wieder beleben möchte. Unter dem Motto „Amplonius Novus – Studienstiftung des Amplonius-Gymnasiums“ soll sie begabte, aber nicht begüterte junge Rheinberger beim Studium unterstützen. Um die Stiftung auf den Weg zu bringen, werden noch Unterstützer gesucht. Das Motto lautet „Amplonianer helfen Amplonianern“, aber natürlich darf auch jeder Geld geben, der sich für die gute Sache einsetzen möchte, auch wenn er das Gymnasium in Rheinberg nicht besucht hat. Wie die NRZ. Sie wird sich an der Stiftung beteiligen.

Die Stipendien sollen bis zu einer Höhe von 500 Euro im Monat hoch sein, außerdem kann es auch noch Büchergutscheine geben. Amplonius-Gymnasiasten, die sich für ein Studium in Erfurt entscheiden, haben übrigens besonders gute Karten bei der Auswahl.

Das hat natürlich einen Grund. Ende des 14. Jahrhunderts war der noch junge Amplonius hier Rektor. In Erfurt liegt auch die Bibliotheca Amploniana, die größte noch weitgehend geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines mittelalterlichen Gelehrten weltweit. In Erfurt wurde auch im Jahr 1412 die ursprüngliche Amplonianische Stiftung gegründet. Der Rat von Amplonius’ Heimatstadt Rheinberg erhielt das Recht, neun Stipendien an junge Rheinberger zu vergeben. Damit die auch das notwendige wissenschaftliche Rüstzeug mitbrachten, bekam Rheinberg noch eine Extrastiftung. Die Stadtverwaltung erhielt 300 Goldgulden. Damit sollte die Lateinschule unterhalten und ein Lehrer bezahlt werden, der begabten Jungen die Grundlagen für ein Studium vermitteln sollte.

Die Stiftung überdauerte die Jahrhunderte, erst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schlief sie ein. Wiederbelebungsversuche scheiterten. Bis jetzt. Im vergangenen Jahr feierte Rheinberg ein besonderes Jubiläum, die Schenkung der Bibliothek und die Gründung der Stiftung jährten sich zum 600. Mal. Die Feierlichkeiten waren für den Rektor des Amplonius-Gymnasiums der Anlass, die Stiftung anzugehen.

Jeder kann helfen

Dass sich ein solcher Gedanke nicht von heute auf morgen verwirklichen lässt, ist Pannenbecker klar. So hat er zwar viele positive Rückmeldungen bekommen, wurde für seine Idee gelobt, aber wenn’s ums Geld geht, muss man Geduld haben. Knapp die Hälfte des benötigten Basis-Stiftungsvermögens in Höhe von 50 000 Euro hat er zusammen.

„Jede Summe ist willkommen“, sagt Pannenbecker, „denn jede Summe führt zum gemeinsamen Ziel.“ Die Stifter werden, wenn sie einverstanden sind, auf der Schulhomepage genannt. Wer mindestens 2000 Euro gibt, wird im Bereich der Schule verewigt und gesondert genannt. Unternehmen können außerdem Stipendien unter ihrem eigenen Namen vergeben.

Vorschlagsrecht für die Stipendiaten haben die Lehrerinnen und Lehrer des Amplonius-Gymnasiums. Der Stipendiat selber muss nicht nur in der Schule ausgesprochen gut sein, sondern sich auch durch gesellschaftliches Engagement auszeichnen. Neben dem Stipendium, das monatlich bis 500 Euro beträgt, kann es auch noch eine Büchergeldpausche in Höhe von 150 Euro geben.

„Natürlich“, so Pannenbecker, „gibt es Bafög, natürlich gibt es zahlreiche Stiftungen, die helfen. Aber sind nicht auch wir als Amplonianerinnen und Amplonianer aufgerufen, es dem Namensgeber unserer Schule gleichzutun?“ Amplonius Rating de Berka habe bereits vor 600 Jahren mit seiner ebenso großzügigen wie weitsichtigen Stiftung für Heranwachsende das Tor zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe geöffnet. Und jetzt sei es Zeit für „Amplonius Novus“.

Carmen Friemond