Sys willekomen heirre kerst, / want du onser alre heirre bis, / sys willekomen, lieve heirre, / her in ertriche also schone: / Kirieleys.
Mit diesen Zeilen begrüßten im Mittelalter Christen am Niederrhein und im Raum Aachen die Geburt Jesu. Was wir hier abgebildet sehen (s.o.) ist der vollständig überlieferte Text des ältesten bekannten deutschsprachigen Weihnachtsliedes. Er befindet sich in der Bibliothek des Rheinberger Mediziners und Kanonikers Amplonius de Berka und wurde um 1394 in der vorliegenden Form aufgeschrieben. Die Fundstelle in der „Bibliotheca Amploniana“ befindet sich in einer englischen Sammelhandschrift mit unterschiedlichen gelehrten Texten (CA 4° 332, fol. 105r). Dieser Kodex gelangte wohl gegen Ende des 14. Jhdts. nach Aachen, wo das Lied anscheinend auf einem leeren Blatt eingefügt wurde. Amplonius erstand die fragliche Sammelhandschrift wahrscheinlich in Köln.
Aus dem Bereich der Musik besaß Amplonius recht wenige Schriften. Sie befaßten sich hauptsächlich mit musiktheoretischen Fragestellungen, denn theoretische Musik gehörte zu den Sieben Freien Künsten, den Septem artes liberales, die an der Artistenfakultät der mittelalterlichen Universitäten gelehrt wurde. Daneben weist die Bibliothek des mittelalterlichen Gelehrten aber auch Anleitungen zum gottesdienstlichen Singen auf.
Prof. Kai Brodersen von der Universität Erfurt hat sich mit dem Lied beschäftigt und gibt dazu interessante Erläuterungen in seinem Aufsatz „Das älteste deutschsprachige Weihnachtslied: Bibliotheca Amploniana 4° 332, fol. 105r.“, in: Amplonius: Die Zeit. Der Mensch. Die Stiftung, Erfurt 2012, S. 235-236.
Siehe (bzw. höre) auch: „Sys willekommen heirre Kerst“, Hans Ganser und das Ensemble für Frühe Musik Augsburg, YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=m2VQ2nTCJbA